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Ekzeme und Allergien bei Kindern – so kann das Mikrobiom schützen

Allergien bei Kindern – so kann das Mikrobiom schützen
Erfahre in diesem Beitrag, wie unser Mikobiom dazu beitragen kann, Allergien bei Kindern zu lindern.

Immer mehr Kinder sehen sich mit Allergien und Ekzemen konfrontiert. Die Anzahl der Betroffenen ist in den letzten Jahren auf Grund vielfältiger Ursachen stark angestiegen. Bei der Vermeidung oder Eindämmung von Allergien bei Kindern, kann unser Darm eine wichtige Rolle spielen. Im Interview mit Anja erklärt Dr. Michaela Axt-Gadermann die Gründe und Risiken von Allergien bei Kindern und wie unser Mikrobiom dazu beitragen kann, diese zu verhindern.

Anja: Michaela, vor Kurzem bin ich über folgende Aussage gestolpert: „Die Anzahl, der von Allergien und Ekzemen betroffenen Kinder, ist in den letzten Jahren stark angestiegen.“ Stimmt das?

Dr. Michaela Axt-Gadermann: Das stimmt. Allergien und Ekzeme sind auf dem Vormarsch und treten heute bei Kindern deutlich häufiger auf als bei Gleichaltrigen vor 20 oder 30 Jahren. Aktuelle Daten zeigen, dass 10 Prozent der Kinder unter Asthma leiden, für 10 – 15 Prozent der Kinder ist Neurodermitis ein Problem und Heuschnupfen macht rund 15 - 20 Prozent der Kinder und Erwachsenen das Leben schwer. In Mitteleuropa erkrankt inzwischen jeder Dritte im Laufe seines Lebens an Neurodermitis, Heuschnupfen, Asthma oder einer anderen allergischen Erkrankung. In Australien und den USA sind sogar 40 Prozent der Bevölkerung betroffen, während in Osteuropa, Afrika oder China tränende Augen, juckende Haut und laufende Nasen fast unbekannt sind. Ein Wohlstands-Gefälle in der Allergiehäufigkeit und ein Zusammenhang mit unserem Lebensstil sind nicht von der Hand zu weisen. Seit den 60er Jahren verdoppelt sich die Zahl der Allergiker alle zehn Jahre.

Allergien – Gründe und Risiken

Anja: Wie kann man sich diese Entwicklung erklären?

Dr. Michaela Axt-Gadermann: Ein Grund dafür ist unsere immer sterilere und keimärmere Umwelt. Harmlose, aber weit verbreitete Bakterien sind in der Regel willkommenen Trainingspartner unserer Abwehrkräfte und verhindern, dass das Immunsystem auf Abwege gerät. Inzwischen lechzt unser moderner Organismus geradezu nach Keimkontakten. Seit Millionen von Jahren gehörten Bakterien zum Alltag, wir haben uns daran gewöhnt und leben mit den meisten von ihnen in Symbiose. Unser Körper benötigt die regelmäßige Auseinandersetzung mit Keimen. Die meisten hilfreichen Bakterien stärken den Abwehrzellen den Rücken, wodurch sich auch der Verlauf allergischer Erkrankungen beeinflussen lässt und Symptome gebessert werden. Schuld an der Zunahme allergischer Erkrankungen sind übereifrige, „unterbeschäftigte“ und fehlgeleitete Abwehrkräfte. Das Immunsystem geht dann gegen eigentlich harmlose Umweltstoffe vor und reagiert überempfindlich auf Blütenstaub, Tierhaare oder Nahrungsmittel. Selbst harmlose Umweltstoffe sind dann in der Lage, diesen Fehlalarm auszulösen.

Anja: Ab welchem Alter können die ersten Allergien bei Kindern entstehen?

Dr. Michaela Axt-Gadermann: Eine US-amerikanische Studie konnte jetzt nachweisen, dass Kinder, die per Kaiserschnitt auf die Welt kommen, ein bis zu fünffach höheres Risiko haben, mit zwei Jahren eine Allergie zu entwickeln als Kinder, die auf natürlichem Weg das Licht der Welt erblicken. Studienleiterin Christine Cole Johnson vom Henry Ford Hospital in Detroit glaubt, dass bereits „der Kontakt mit Bakterien im Geburtskanal wesentlichen Einfluss auf das Immunsystem der Kinder hat". Bei einer Kaiserschnittgeburt werden Kinder nicht mit den wichtigen, schützenden Keimen aus dem Geburtskanal der Mutter „geimpft“. Die ersten Keime, die sich bei Kaiserschnittkindern ansiedeln, sind Bakterien, die sich auf der Haut von Eltern und Pflegern oder Instrumenten befinden und diese sind für den jungen Darm und die Abwehrkräfte problematisch. Dadurch produzieren Kaiserschnittkinder von Anfang an größere Mengen des Allergieauslösers Immunglobulin E.

Allergien bei Kindern - Die dreckige Wahrheit

Anja: Heißt das, eine geringere „Hygiene“ unter bestimmten Umständen sogar Allergien bei Kindern vermeiden kann?

Dr. Michaela Axt-Gadermann: Wenn es um die richtige Dosis „Schmutz“ geht, haben sogar kleine Details eine große Wirkung. Eine aktuelle schwedische Studie hat gezeigt, dass beim Geschirrspülen von Hand mehr Keime auf Gläsern und Tellern zurückbleiben als bei der Benutzung einer Geschirrspülmaschine. Alleine dieser kleine Unterschied bewirkt, dass in Familien, in denen der Abwasch noch Handarbeit ist, das Risiko von Allergien bei Kinder deutlich niedriger liegt als in Haushalten, die auf Maschinenwäsche setzen. Lungenfachärzte der Salzburger Kinderklinik stellten zudem fest, dass nur drei Prozent der Kinder, die auf einem Bauernhof leben, unter Heuschnupfen leiden. Bei Stadtkindern waren hingegen fast zehn Prozent betroffen. Unter Asthma litten sie sogar viermal öfter. Auch eine US-Studie kam zu dem Ergebnis, dass eine zu saubere Umgebung der Gesundheit von Babys und Kleinkindern nicht zuträglich ist. Ein früher Kontakt mit Keimen und eine reichhaltige Besiedelung des Darms sind offensichtlich wichtig für uns. Und das Ganze scheint zudem dosisabhängig zu sein, das heißt je mehr Schmutz und Mikroben kleine Kinder ausgesetzt sind, desto geringer ist deren Risiko, später an Allergien zu erkranken.

Stuhlprobe als Glaskugel – Was wissen die Keime über unsere Allergie-Zukunft?

Anja: Wie Du gerade angesprochen hast, beeinflusst unser Darmmilieu das Risiko für Allergien bei Kindern. Inwiefern?

Dr. Michaela Axt-Gadermann: Wie problematisch sich die falschen Keime auswirken können, zeigen Untersuchungen an Kindern aus Schweden, einem Land mit vielen Allergikern und Estland, einem Land, in dem Asthma, Heuschnupfen und Hautekzeme (noch) selten sind. Offensichtlich bestehen zwischen Kindern mit und ohne Allergien tatsächlich deutliche Unterschiede in der Darmbesiedelung. Die Wissenschaftler untersuchten die Stuhlproben von 44 Kindern direkt nach der Geburt und dann in regelmäßigen Abständen alle paar Monate. Zu diesem Zeitpunkt war nicht klar, welche Kinder später einmal überempfindlich reagieren würden. Mit zwei Jahren wurden Allergien bei Kindern und Neurodermitis bei insgesamt 18 Kindern festgestellt. Das Spannende: Bevor überhaupt irgendein Anzeichen einer Überempfindlichkeit feststellbar war, ließ sich bereits anhand der Stuhlprobe voraussagen, ob und welche Allergien bei Kindern sich entwickeln werden oder nicht. Den späteren Allergiekindern mangelte es schon in den ersten Lebensmonaten an günstigen und schützenden Bakterien wie Lactobazillen (Milchsäurebakterien), Bifidobakterien, Enterokokken, Keimen aus der Gruppe der Bacteroidetes und Bakterien mit so seltsamen Namen wie Faecalibacterium prausnitzii und Akkermansia muciniphila. Auch andere Studien belegen: Eine geringe Vielfalt der Darmflora, ein Mangel an wichtigen Bakterien, lässt das Risiko für Allergien bei Kindern aller Art deutlich ansteigen. Dafür gewinnen schon früh andere Keime wie Staphylokokken und Clostridien die Oberhand im Darm. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen auch niederländische Forscher. Sie untersuchten die Darmflora von 957 Säuglingen im Alter von einem Monat und beobachteten die Entwicklung allergischer Erkrankungen in den folgenden zwei Jahren. Auch hier ließ sich vorhersagen, wer später unter so genannten „atopischen“ Erkrankungen litt. Kinder, die viele E. coli Bakterien im Darm hatten, wiesen ein größeres Risiko auf, später Ekzeme zu entwickeln – je höher die Keimzahl, desto wahrscheinlicher. Auch die mit vielen Clostridien bekamen später häufiger Neurodermitis, Asthma und andere Allergien. Offensichtlich scheint eine Stimulation des noch nicht ausgereiften Immunsystems durch die falschen Keime das Verhältnis bestimmter Abwehrzellen in Richtung Allergie zu verändern.

Ekzeme und Allergien bei Kindern über den Darm lindern

Anja: Bedeutet das im Umkehrschluss, dass unser Darm auch allergische Reaktionen oder Ekzeme lindern kann?

Dr. Michaela Axt-Gadermann: Ja, besonders bei Kindern mit einem hohen Risiko für eine spätere Allergie sollte schon frühzeitig die Entwicklung einer gesunden Darmflora gefördert werden.

Da die Darmflora von Allergikern anders zusammengesetzt ist als die von nicht betroffenen Personen erscheint es logisch, auch die Behandlung von Heuschnupfen und Co über den Darm anzugehen. Vorbeugen ist aber bekanntlich besser (und in diesem Fall einfacher) als heilen. Wird bereits bei Säuglingen und Kleinkindern der Aufbau einer gesunden Darmflora mithilfe der richtigen Keime und nicht übertriebener Hygiene gefördert, dann stehen die Chancen gut, ohne Allergien durchs Leben zu gehen. Aber auch im späteren Leben lassen sich noch gute Erfolge erzielen. Probiotische Darmkeime sind dabei eine vielversprechende Ergänzung der üblichen Allergiemedikamente. Zahlreiche Untersuchungen konnten Verbesserungen vor allem bei Heuschnupfen und Neurodermitis feststellen.

Dass Probiotika auf Allergiesymptome wirken, zeigen Untersuchungen des finnischen Mediziners Marko Kalliomäki von der Universität Turku. Spätestens vier Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin erhielten Schwangere das probiotische Milchsäurebakterium Lactobacillus rhamnosus. Auch nach der Entbindung erhielt der Nachwuchs für mindestens weitere sechs Wochen die Bakterien. Stillten die Mütter, dann nahmen sie selber das Präparat ein, erhielten ihre Kinder Flaschennahrung, wurde das Pulver einfach in altersgerechter Dosierung dem Fläschchen beigefügt. Allein mithilfe dieser Keime ließ sich das Neurodermitis-Risiko des allergiegefährdeten Nachwuchses halbieren. Und inzwischen weiß man, dass der Schutz mindestens bis zur Einschulung anhält. Da aber nur in seltenen Fällen nach dem fünften, sechsten Lebensjahr eine Neurodermitis neu auftritt, kann man davon ausgehen, dass die Kinder auf Dauer vor Juckreiz und trockener Haut sicher sind.

Probiotika für Schulkinder und Jugendliche

Anja: Können Probiotika auch im fortgeschritteneren Alter noch Wirkung zeigen?

Dr. Michaela Axt-Gadermann: Ja, besonders bei Kindern mit einem hohen Risiko für eine spätere Allergie sollte schon frühzeitig die Entwicklung einer gesunden Darmflora gefördert werden.

Ja, auch bei älteren Kindern, Teenagern und Erwachsenen, bei denen bereits Allergien bestehen, konnten Studien Erfolge mit probiotischen Bakterien verbuchen. Probiotika sind offensichtlich in der Lage, das Immunsystem so zu beeinflussen, dass bisher bekämpfte Nahrungsmittel, Blütenstaub und Tierhaare besser toleriert werden. Ein wichtiger Marker für eine Neigung zu Allergien bei Kindern ist das Immunglobulin E. Je höher dieser Wert ist, desto stärker sind häufig auch die Beschwerden. Innerhalb von acht Wochen ließ sich dieser Allergiestoff in einer Studie durch probiotische Bakterien (u.a. Lactobazillus casei, Lactobazillus acidophilus, Bifidobakterium bifidum) deutlich reduzieren, während er in der Placebogruppe weiter anstieg. Auch bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Ekzemen waren die Therapien mit verschiedenen Milchsäurestämmen (Lactobacillus rhamnosus, Lactobazillus plantarum) oder Bifidobakterien (Bifidobacterium lactis) erfolgreich. Bei Nahrungsmittelallergien oder Heuschnupfen können andere Bakterien hilfreich sein.


***Dr. Michaela Axt-Gadermann im Interview mit Anja. Das Interview hat am 01.03.2022 stattgefunden.***

Quellen & zum Weiterlesen

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