Klingeln, sausen, pfeifen, rauschen, zischen oder summen – ein Tinnitus hört sich für jeden Menschen anders an. Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Tönen im Ohr, die ebenfalls durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Tinnitus-Ursachen hervorgerufen werden können. Schon ein leises Pfeifen, das von dem Geräusch eines vorbeifahrenden Mopeds unterbrochen wird und dann plötzlich verschwindet, fällt als bekannte akustische Phantomwahrnehmung unter das Tinnitus-Symptom. Dagegen gibt es aber auch intensive, anhaltende Geräusche, die Dich beim Schlafen, Arbeiten und im Alltag stören und jeden klaren Gedanken verhindern. Je nach Dauer und Lautstärke des Geräuschs kannst Du bei einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt (HNO-Arzt) abklären lassen, um welche Art es sich handelt und wie Du den Tinnitus behandeln kannst.

Welche Tinnitus-Arten gibt es?

Subjektiver Tinnitus: So heißt die bekannteste Form des Tinnitus, wenn nur Du allein die Geräusche in Deinem Ohr hören kannst.
Objektiver Tinnitus: Sehr selten erzeugt Dein Körper selbst Geräusche, die durch entsprechende Messgeräte vom Arzt nachweisbar sind. Beispielsweise können Muskeln im Mittelohr, Gefäße oder auch Deine Atmung einen Tinnitus auslösen. Ist das Geräusch gefäßbedingt und synchron zu Deinem Herzschlag, dann handelt es sich um einen „pulssynchronen Tinnitus“.
Akuter Tinnitus: Wenn das Geräusch plötzlich und nur für kurze Zeit auftritt, dann ist der Tinnitus akut.
Chronischer Tinnitus: Geht das Geräusch jedoch nicht mehr weg und hört auch nach drei Monaten nicht auf, dann hat er sich zu einem chronischen Tinnitus entwickelt.

Wer kann einen Tinnitus bekommen?

Du bist auf einem Konzert, fährst danach nach Hause und abends im Bett hörst Du ein Rauschen und Klingeln in den Ohren. Meistens gehen die Geräusche nach ein bis zwei Tagen wieder weg, doch so einen akuten Tinnitus haben viele Menschen schon einmal erlebt. Und in den meisten Fällen kann sich der Körper davon wieder erholen – zumindest in jungen Jahren. Denn im Alter steigt das Risiko für Hörschäden und damit auch für Tinnitus. Laut der EuroTrak-Studie 2018 des Schweizer Marktforschungsunternehmens Anovum geben 12,2 Prozent der deutschen Bevölkerung eine Hörminderung an, wobei der Anteil von 1,9 Prozent bei den unter 14-jährigen auf 36 Prozent bei den über 74-jährigen mit zunehmendem Alter ansteigt. Wenn Tinnitus bei der Beeinträchtigung des Hörvermögens eine Rolle spielt, dann liegt er in verschiedenen Härtegraden vor.


Schweregrade bei Tinnitus:

1. Grad: Du kannst zwar Geräusche hören, den Tinnitus aber leicht ignorieren.
2. Grad: Wenn es um Dich herum leise ist, kannst Du den Tinnitus meistens hören. Befindest Du Dich in einer stressigen Phase, dann stört er Dich mehr.
3. Grad: Du kannst den Tinnitus dauerhaft hören und er beeinflusst Deine Konzentration und Deinen Alltag.
4. Grad: Du kannst nicht mehr mit dem Tinnitus umgehen, die Geräusche bestimmen Dein Privatleben und Du kannst Deinen Beruf nicht mehr ausüben.


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Infografik: In der EuroTrak-Studie 2018 gaben neben anderen Ländern 13.853 Personen aus Deutschland an, ob ihr Hörvermögen eingeschränkt ist. Tinnitus kann eine solche Hörminderung sein, wurde in der Studie aber nicht spezifisch abgefragt.

Die Ursachen – Wie entsteht Tinnitus?

Die Frage nach den Tinnitus-Ursachen hat die Wissenschaft leider noch nicht final geklärt, deshalb gibt es nur verschiedene Theorien. Die Befragung von 1.251 Probanden der EuroTrak-Studie 2018 zeigt ein sehr vielfältiges Bild von möglichen Ursachen für die Beeinträchtigung des Gehörs. 30 Prozent der Betroffenen machen eine Depression für ihre Hörschäden verantwortlich, 22 Prozent ihre Schlafstörungen und ebenfalls 22 Prozent ihren hohen Blutdruck. Letztendlich können verschiedene Ursachen einen Tinnitus hervorrufen, denn der Tinnitus selbst ist nur ein Symptom und nicht die Erkrankung an sich. Die gute Nachricht: Wenn Du den Ursachen für den Tinnitus auf die Schliche kommst, kannst Du ihn in vielen Fällen auch wieder loswerden.

1. Theorie: Laterale Inhibition

In einem gesunden Innenohr nehmen verschiedene Haarzellen verschiedene Frequenzen auf und leiten diese als Geräusche ans Gehirn weiter. Dabei hemmen sich benachbarte Nervenzellen gegenseitig, um besonders laute Töne vom allgemeinen Hintergrundrauschen abzuheben. Wenn einige Nervenzellen aus einem bestimmten Frequenzbereich aufgrund eines Hörschadens nicht mehr richtig funktionieren, können sie auch ihre Nachbarzellen nicht mehr unterdrücken. Diese sind dann überaktiv und senden ihren Frequenzbereich vermehrt an das Gehirn, wodurch der Tinnitus entsteht.

2. Theorie: Homöostatische Plastizität

In der zweiten Theorie versucht das Gehirn nach längerer Zeit ausbleibender Reize einen Hörverlust auszugleichen, indem die Nervenzellen ihre Erregbarkeitsschwelle senken und somit wieder mehr Reize an das Gehirn weitergeben. Damit wird das Gehör anfälliger für alle Arten von Geräuschen und filtert nicht mehr so viel Hintergrundrauschen heraus, wodurch der Geräuschpegel als Tinnitus wahrgenommen wird. Allerdings dauert diese Anpassung mehrere Stunden bis Tage und ist normalerweise nicht direkt nach einem Konzertbesuch abgeschlossen.

Konsens: Tinnitus als Nebeneffekt von Hörverlust

Beide Theorien bieten eine mögliche Erklärung für die Entstehung von Tinnitus, sind dabei jedoch nicht vollständig. Bei der lateralen Inhibition müsste das Gehirn von den benachbarten Nervenzellen sowohl höhere als auch tiefere Töne empfangen, was jedoch nicht der Fall ist. Und die homöostatische Plastizität deckt einen kurzfristigen, akuten Tinnitus nicht mit ab. Allerdings ist sich die Wissenschaft soweit einig, dass der Tinnitus als Nebeneffekt entsteht, wenn der Körper versucht seine Hörfähigkeit nach einer Beeinträchtigung wieder zu verbessern. Außerdem haben Berührungen, Verspannungen und Erregungen aus anderen Körperregionen ebenfalls Einfluss auf das Rauschen im Ohr. Wenn Du zum Beispiel die Zähne bei einem Tinnitus fest zusammenbeißt, hört Du den Ton danach lauter, weil die Nervenzellen im Innenohr dadurch ebenfalls angespannt werden und ein stärkeres Signal weitergeben.

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Infografik: Der Weg der Schallwellen durch das Ohr

Welche Auswirkungen hat Tinnitus?

Der Tinnitus ist als Nebeneffekt von Hörverlust oft nicht das einzige Problem. Viele betroffenen Personen werden zusätzlich von Schlaf- oder Konzentrationsstörungen begleitet, die sich auch gegenseitig bedingen. Auch Depressionen und Angststörungen sind möglich. Letztere besonders, wenn zum Tinnitus noch Misophonie (unangenehme Geräusche), Phonophobie (Angst vor Geräuschen) oder Hyperakusis (alles wird lauter wahrgenommen) dazukommen. Während der fortgeschrittene Hörverlust zu Tinnitus führen kann, besteht andersherum bei Tinnitus jedoch nicht die Gefahr des Ertaubens.

Wie lässt sich Tinnitus behandeln?

Zunächst solltest Du herausfinden, um was für eine Art von Tinnitus es sich bei Dir handelt. So hat ein objektiver Tinnitus andere Ursachen und entsprechend andere Behandlungsmöglichkeiten als zum Beispiel ein akuter Tinnitus. Wenn das Rauschen im Ohr auch nach mehreren Tagen nicht abklingt, solltest Du einen HNO-Arzt aufsuchen und mit ihm das weitere Vorgehen besprechen. Doch auch ohne Arztbesuch kannst Du auf verschiedene Weise den subjektiven Tinnitus behandeln und somit zur Linderung beitragen. Allerdings gibt es bisher keine Therapie, die das Problem aus der Welt schaffen kann. Die meisten Behandlungen sollen den Betroffenen mit chronischem Tinnitus dabei helfen mit der Beeinträchtigung des Gehörs zu leben.

a) Kann Tinnitus operiert werden?

Bisher gibt es keine Operation zur Behandlung von Tinnitus. Nachdem es negative Erfahrungen mit dem Durchtrennen des Hörnervs gab, wird diese Methode nicht mehr verwendet. Bist Du allerdings ertaubt und ein Cochlea-Implantat (Hörprothese) kommt infrage, kann das den Tinnitus positiv beeinflussen.

b) Welche Medikamente helfen bei Tinnitus?

Noch gibt es keine Medikamente, die zuverlässig bei Tinnitus helfen. Zeitweise kann das örtlich wirksame Betäubungsmittel Lidocain den Tinnitus unterdrücken, allerdings nicht auf Dauer. Jedoch kannst Du Medikamente einnehmen, um die Begleiterscheinungen von Tinnitus zu behandeln, zum Beispiel bei Angst-, Schlaf- oder depressiven Störungen.

c) Mit welcher Therapie lässt sich Tinnitus behandeln?

Zur Behandlung von Tinnitus gibt es eine Vielzahl etablierter und experimenteller Therapien, die sich jedoch eher auf die Begleiterscheinungen von Tinnitus fokussieren und die versuchen Dir das Leben mit Tinnitus zu erleichtern. Passend zu der Art und dem Schweregrad von Deinem Tinnitus stehen Dir folgende Therapien und Hilfsmittel zur Verfügung:

  • Selbsthilfegruppen
  • Hörgeräte
  • Tinnitus-Bewältigungs-Therapie
  • Psychoedukation
  • Kognitive Verhaltenstherapie
  • Individualisierte auditorische Stimulation
  • Tinnitus-Masker
  • Auditorisches Training
  • Tinnitus-Retraining-Therapie
  • Neuromodulatorische Therapieansätze
  • Neurobiofeedback
  • Repetitive transkranielle Magnetstimulation
  • Auditorische Stimulation
  • Coordinated Reset Stimulation

d) Lässt sich Tinnitus vorbeugen?

Auch wenn die Ursachen für Tinnitus noch nicht final erforscht wurden, so erhöht eine gesunde Lebensweise die Chancen auf ein gesundes Gehör bis ins hohe Alter hinein. Dazu zählen eine ausgewogene Ernährung, ausreichend körperliche Bewegung im Alltag sowie erholsamer Schlaf und wohltuende Entspannung. Solltest Du beispielsweise Probleme beim Einschlafen haben, so können Dir Musik und unser for you sleep well-test für zuhause beim Runterkommen und Entspannen helfen, was wiederum einen Hörsturz und Tinnitus vorbeugen kann. Außerdem solltest Du darauf achten, dass Du alle relevanten Mineralstoffe im richtigen Verhältnis zu Dir nimmst, damit Dein Körper optimal funktioniert. Gewissheit erhältst Du durch unseren for you mineralstoff-test für zuhause. Vor allem die entspannende Wirkung von Magnesium auf Deine Muskeln solltest Du nicht zu unterschätzen, da es die Blutgefäße der Muskeln erweitert. Stressabbau durch Sport, Meditation und Nahrungsergänzungsmittel hilft auch im Alltag, wenn Du den Tinnitus bereits hörst. Dann solltest Du regelmäßig Deinen Tagesablauf unterbrechen und angenehme bzw. stressabbauende Aktivitäten einstreuen. Ein paar wohltuende Klänge, die genau zu Deinen betroffenen Frequenzen passen, bringen Deine Nervenzellen im Innenohr wieder auf normale Betriebstemperatur und reduzieren somit das Rauschen.

Kann Tinnitus geheilt werden?

Es gibt noch keine Therapie oder Behandlung, mit der Tinnitus zuverlässig verschwindet. Allerdings ist das Rauschen im Ohr oftmals ein Nebeneffekt von Hörverlust, der durch die Behandlung der Ursachen auch wieder verschwinden kann. In 80 Prozent der Fälle klingt akuter Tinnitus nach kurzer Zeit wieder ab. Und selbst chronischer Tinnitus verschwindet bei etwa 25 Prozent der Betroffenen nach fünf bis zehn Jahren wieder. Wer jedoch mit einem Tinnitus leben muss, der sollte lernen ihn zu akzeptieren und seine Aufmerksamkeit lieber auf die wichtigen Dinge im Alltag zu lenken. Dann kann einen das Rauschen auch nicht weiter stressen.

Quellen & zum Weiterlesen

Anovum (2018): EuroTrak Germany 2018. Online: https://www.ehima.com/wp-content/uploads/2018/06/EuroTrak_2018_GERMANY.pdf

Apotheken Umschau (2018): Ohrgeräusche (Tinnitus). Was Sie selbst tun können. Online: https://www.apotheken-umschau.de/Tinnitus/Ohrgeraeusche-Tinnitus-Was-Sie-selbst-tun-koennen-51396_8.html

Kleinjung, T./ Reining, A. (2018): Cochlea-Implantate können Tinnitus-Symptome dämpfen. Online: https://www.deutschlandfunk.de/stoergeraeusche-cochlea-implantate-koennen-tinnitus.676.de.html?dram:article_id=413412

Krauss, P./ Schulze, H. (2019): Wie Tinnitus entsteht. Online: https://www.spektrum.de/news/wie-tinnitus-entsteht/1656454

Kreuzer, P. M./ Vielsmeier, V./ Langguth, B. (2013): Chronic tinnitus: an interdisciplinary challenge. In: Deutsches Ärzteblatt, Vol. 110(16), S. 278–284.

Strunz, U. (2014): Tinnitus und Hörsturz. Online: https://www.strunz.com/news/tinnitus-und-hoersturz.html